Relax.

Mach mal den Kopp aus!

„Du machst dir einfach zu viele Gedanken“: Oh mahaaan, ich kann es schon nicht mehr hören. Ja, klar mache ich mir viele Gedanken. Das weiß ich doch auch. Die Ansage hilft mir dabei aber nicht unbedingt weiter beim weniger Gedanken machen. Es gibt so viele selbstquälende Gedanken, die einfach ihr Maß an Aufmerksamkeit brauchen.

  • „Habe ich jetzt überreagiert?“
  • „Mag sie mich jetzt nicht mehr?“
  • „Warum schreibt er mir jetzt nicht zurück?“
  • „Wird das gut gehen?“
  • „Was ist, wenn das Geld jetzt nicht reicht?“
  • „Wie soll ich das bloß überstehen?“

Ich behaupte jetzt mal, dass wir uns alle ab und an solche Fragen stellen. Könnte uns die Antwort auf diese Fragen nicht eigentlich egal sein? Ey, wo ist das Selbstvertrauen? Was ist da bloß los?

 

Das passiert bei uns im Kopf

Herr Professor Ad Kerkhof von der Universität Amsterdam hat nicht nur einen fabelhaften niederländischen Akzent, sondern weiß auch ganz genau, was bei uns los ist. Er stellt in seinem Buch klar, was in dem Moment passiert: Wir befinden uns in einer Sorgenschleife. Keine von den schönen roten Schleifen, die perfekt gebunden sind. Wir denken nicht nach, sondern Grübeln. Die Unterscheidung liegt in der eigentlichen Absicht. Während wir beim Überlegen meistens zu einem Entschluss kommen, besteht die Zielgerade der Grübelei bildlich gesprochen aus einem Unendlichkeitszeichen. Die Gedanken lassen sich einfach nicht stoppen, drehen sich um Misserfolge, vergangene oder auch aktuelle Entscheidungen und kommen zu keinem sinnvollen Fazit. Vermehrt treten sie übrigens morgens und abends auf. Jetzt bitte nicht so ein Gesicht ziehen. Es ist nicht aussichtslos.

 

Weg von der Kontrolle

Sogenannte Worrier sind vor allem Personen, die dazu neigen, alles in ihrem Leben kontrollieren zu wollen. Dass das Grübeln dabei nicht förderlich ist, fällt meistens dann erst auf, wenn man nicht mehr schlafen kann, Ängste bekommt und eine gewisse vollständige Ohnmacht empfinden. Woher der Mist kommt, weiß Herr Kerkhof auch – na? Drei Mal darfste raten…

Na klar, von der Kindheit und Jugend. Wobei er selbst behauptet, dass die Jugendphase mehr Auswirkungen habe als die Kindheit.

 

Brain and thoughts

Die Platte zerbrechen

Bereits der großartige Philosoph Jean-Paul Sartre hielt fest, dass der größte Teil der Sorgen aus unbegründeter Furcht bestehen würde. Er lehnte daher diese Art von Grübeleien kategorisch ab. Schön für ihn. Arsch.

Kerkhof ist eigentlich Experte für psychologische Fragen rund um Suizid (einen tollen Vortrag findest du hier). Er sagt, dass ein selbstmordgefährdeter Mensch nichts anderes ist, als einer, der stets grübelt. In der Psychologie wird es auch Rumination genannt, was sich vom lateinischen ruminare ableiten lässt (wiederkäuen).  Dabei würde der Mensch vor allem über Dinge nachdenken, die für ihn existenziell von großer Bedeutung sind. Das sind häufig verschiedene Themenbereiche wie zum Beispiel Anerkennung im Freundeskreis, Geld, Familie, Partnerschaft, Zufriedenheit im Job usw. Kerkhof setzt noch eins oben drauf und sagt, dass es dann kritisch und gefährlich wird, wenn der Mensch anfängt sich Sorgen über sein Sorgen-machen zu machen. Danke, Kerkhof.

 

Grübeln macht krank

Laut Tobias Teismann kann das Grübeln weitreichende Folgen haben. Angststörungen, Depressionen und Suizid können Folgen sein. Es ist ein Teufelskreis: Je mehr man grübelt, desto schlechter denkt man über sich und das Leben und desto pessimistischer ist man der eigenen Zukunft gegenüber eingestellt. Die eigene Lage wirkt immer hoffnungsloser, die Motivation, nach einer Lösung zu suchen, bleibt gleich null. Die schlechte Laune steigt unendlich und nervt den gesamten Familien- und Freundeskreis und schon entsteht Stoff für neue Grübeleien. Nolen-Hoeksema (2006) nannte dieses Phänomen übrigens Hefeteigeffekt.  Wie treffend.

Aber auch gesundheitliche Probleme wie beispielsweise Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerzen. Kein Wunder. Ich habe noch keinem beim Grübeln entspannt sitzend gesehen… am Besten noch mit einem Apfel in der Hand. Herr Blackburn stellte sogar fest, dass man schneller Falten bekommt vom Grübeln. Ja, das überrascht mich jetzt auch nicht.

 

Warum der Mist?

Wenn wir Menschen davon nichts haben, warum machen wir es dann? Du wirst schon ahnen, dass auch hierzu ein kluger Kopf wieder eine Antwort gefunden hat. Ja, der Herr Kerkhof sagt, dass Leute hier der Illusion von Kontrolle über das eigene Leben hinterherlaufen. Ohne Erfolg.

Andere Psychiater und Psychologen mögen hingegen auch schnell behaupten, dass Menschen gerne Grübeln, weil sie die Konfrontation scheuen. Sie hätten Angst sich beim Gegenüber durchzusetzen. Auch das Durchdenken verschiedener Optionen und Szenarienausgänge bereitet hier den jeweiligen Menschen nicht wirklich auf die Eventualitäten vor.

 

Ich schlucke die Pille – kein Problem

Halten wir fest: Grübeln bringt rein gar nichts! Wenn ich jetzt Sartre wäre, würde ich einfach beschließen, es nie wieder zu tun. Klappt nicht. Danke, Sartre.

Zum Glück gibt es gefühlte tausend schlaue Bücher im Internet, die einem die geheimsten Tricks und Tipps gegen das Grübeln verraten. Sei es die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie MBCT (Mindfulness-Based-Cognitive Therapy; bei Amazon) oder auch einfache Erklärungen zum Grübeln und umfangreiche Selbstanalysen (Tobias Teismann (2014). Grübeln: Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst.  2. korrigierte Auflage.). Hilfreich kann es in jedem Fall sein, wenn du deinen Grübeleien auf den Grund gehst.

 

Boar, nee – geht das auch ohne Geld?

Ja, klar. Bleiben wir mal bei Kerkhof. Der sagt, dass es am effektivsten ist, sich bestimmte Zeiten zum Grübeln zu nehmen. Ähnlich wie bei Ärger, versucht er damit, die Sorgen aufzuschieben. Vielleicht auch mit der Hoffnung, dass sie dann nicht mehr bestehen. Diese Technik ist für „ärgern“ bereits bekannt. Ich nehme mir jedoch in der aktuellen Situation vor, mich noch 10 bis 15 Minuten zu ärgern und das Problem oder meinen Frust dann in Ruhe zu lassen. Klappt auch. Meistens.

Im Allgemeinen kann es auch hilfreich sein, die Grübeleien mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Das sagen zumindest die schlauen Bücher, besonders Herr Teismann. Es soll helfen, herauszufinden, warum und vor allem in welchen Situationen man grübelt. Letztlich soll mithilfe einer genauen Selbstdokumentation ein Grübelmodell entstehen, dessen Wirrwarr es zu ordnen gilt.

Kerkhof wiederum schwört bei seinen Grübelzeiten auf möglichst unbequeme Momente. Vielleicht damit sie uns konditionieren? Wir sollen so beispielsweise nicht im warmen Bett grübeln oder auf dem bequemen Sofa. Vielmehr eignet sich die kalte Stube und der harte Küchenstuhl von Ikea. Oder die Badewanne. Ungefüllt.

Ablenken soll übrigens auch helfen. Freu dich auf etwas, was du noch vor oder auch bereits hinter dir hast und der Grübel-Gedanke sollte verschwinden. Klingt fast schon zu einfach. Sollte es nicht so einfach funktionieren, hilft es vielleicht, Farben oder Gerüche und Töne des Ereignisses in den Kopf zu rufen. Selbst, wenn du nach diesem schönen Gedankenurlaub wieder ins Grübeln einsteigen solltest, so hattest du wenigstens kurz einen angenehmen Urlaub.

Sehr empfehlen kann ich übrigens die YouTuberin „Gar Nichz“, die ihre Zuschauer am aktiven Grübeln teilhaben lässt. Heute geht es bei ihr um drei Listen, die vielleicht auch aus dem Grübelkreis heraushelfen können.

Unabhängig von diesem Inhalt finde ich sie großartig!  Und es erspart das eigene Grübeln.

Wie sind deine Grübel-Erfahrungen? Was hilft dir besonders? Tipps und Anregungen kann ich jederzeit oben ergänzen – sofern du mir deinen Anregungssenf unten da lässt. Freue mich auf den Austausch!

Grübelfreie Zeit wünsche ich dir!

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2 Kommentare

  • Reply Sarah November 15, 2015 at 4:08 pm

    Hallo Farina,

    ich bin gerade auf deinen Blog gestoßen und ich finde ihn toll und werde mich heute Abend hier mal durchlesen. Ich mag deinen Frei-nach-schnauze Schreibstil 😉 Ich hätte schwören können, du kommst aus dem Ruhrgebiet 😉

    Jedenfalls finde ich das Thema, das du aufgegriffen hast sehr spannend – ich bin auch so eine Grübeleien, aber seit meinem Bure-Out vor einigen Jahren hält es sich in Grenzen. Deine Tipps finde ich trotzdem praktisch. Danke fürs Recherchieren. Obwohl ich einen Verweis an Hilfeeinrichtungen, wenn es zu hart wird, hier vermisse. Eine Depression kann echt schlimme Auswirkungen haben und einen Besuch beim Therapeuten manchmal unerlässlich machen. Ich hätte es schön gefunden, wenn du hier auch noch drauf eingegangen wärst. Taubbruch und so 😉

    Liebe Grüße,

    Sarah

    PS.: Du fliegst jetzt erstmal in den Bloglovin Feeder!

    • Reply Farina November 22, 2015 at 6:59 pm

      Hey Sarah,
      entschuldige meine verspätete Antwort! Den Verweis an die Hilfeeinrichtungen werde ich noch einfügen – vielen Dank für den Hinweis! Ich will das auf keinen Fall auslassen.
      Schön, dass es dir der Ruhrpott-Style gefällt 😉
      Wir lesen voneinander!!
      Liebe Grüße,
      Farina

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