Generation Y.

Ist das Liebe oder kann das weg?

Eine Lebensgemeinschaft, wie Ernie und Bert sie geführt haben oder auch Sailor Uranus und Neptun, würde heute kein Kind mehr verwundern. Im realen Leben wäre man den Verhältnissen dieser Lebensgemeinschaften schnell auf den Grund gekommen. Spätestens mit dem Blick auf den Facebookstatus. Heute betreibt auch keiner mehr den Aufwand, vorzugeben, dass es die allerbeste Freundin ist, die nahezu täglich mit mir ein Bett teilt. Höchstens vor Oma und Opa – sofern diese noch unter uns verweilen. Wären diese Charaktere nicht der Fantasie geschuldet, würden sie heute wahrscheinlich bei einem Paartherapeuten sitzen und reflektieren, ob sie wirklich zusammenpassen.

 

Pragmatisch und Ehrlich

Während frühere Generationen dieses hochpolitische Statement in Richtung „freier Liebe“ oder auch „sexuelle Revolution“ gebührend gefeiert hätten, bleibt die Gen Y pragmatisch – fast schon nüchtern. Sie zieht das Ticket der selbstbewussten Wahl des passenden Lebensstils (mit der Option, sich jederzeit neu zu entscheiden). Zweifelsohne gehört das Entdecken der eigenen Sexualität, die Ablösung der Eltern und Gründung eigener Nachfolger zu den schwierigsten Herausforderungen auf dem Weg zum Erwachsensein. Alleine die Auswahl ist hier erschreckend. Was man nicht alles sein kann. Single, Single auf der Suche, Verliebt, Vergeben, Verlobt, Polygam, Monogam und natürlich noch „es ist kompliziert“.

Auch bei der sexuellen Orientierung scheint Herr Wort mal richtig tief in die Trickkiste gegriffen zu haben. Hier haben wir die Auswahl zwischen Pansexuell, Bisexuell, Homosexuell, Asexuell und bestimmt noch mehreren Orientierungen, die mir nicht bekannt sind. Was passiert eigentlich, wenn ich mich auch hier nicht klar einordnen kann. Eine gewisse Gen-Y-Entscheidungsunfähigkeit kann sich ja schließlich auch in der Sexualität niederschlagen. Wenn ich also ein bisschen Asexuell und Bisexuell bin? Muss ich dann als Abisexuelle die Hochschulreife wiederholen? Oder doch lieber ganz schnell zum Psychotherapeuten?

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Der Boykott der Beziehung

Die Journalistin Nina Pauer, Y-Gen, Jahrgang 1984, fasst Folgendes logisch zusammen: „Wenn es etwas ist, das wir mittlerweile sicher wissen, dann, dass nichts sicher ist.“ Und damit trifft sie nicht nur den Kern einer generationsübergreifenden Lebenseinstellung, sondern beschreibt auch ein Phänomen, dass in Beziehungen eine große Rolle einnimmt: Unsicherheit. Die Gen Y glaubt an die Liebe. Nur: So richtig klappen will es damit nicht. Ratgeber-Slogans der Hipster-Magazine lassen vermuten, dass die Generation keinen Plan von Liebe hat. Denn offensichtlich müssen diese „sozial erkalteten Gefühlsautisten“ dieses Phänomen in einer überteuerten Nachhaltigkeits-Hipster-Zeitung nachlesen.

Das ist nicht mal überzogen. Mal ganz ehrlich, welche Eltern sind nach all den Jahren wirklich noch zusammen und glücklich? Scheidung ist kein Tabuwort mehr, sondern steht mittlerweile wie „Rente“ für den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Pauer hat sich diesem Phänomen ausführlicher gewidmet und denkt bei einer Beziehung gleichzeitig auch an die Möglichkeit des Scheiterns eben jener. Wer heute nicht nüchtern in Erwägung zieht, dass jegliche Beziehung scheitern kann, boykottiert die Beziehung selber und ist dann auch noch verwundert, dass einem so viel Trauer und Pech wiederfährt.

 

WIR WOLLEN HALT, ABER NICHTS FESTES,

DAMIT AUCH JA KEINER VERLETZT IST,

WIR MACHEN ALLES SELBST KAPUTT,

BEVOR’S KAPUTTGEHEN KANN.

Julia Engelmann

 

Der Ypsiloner weiß, dass er jederzeit wieder alles rückgängig machen kann – oder zumindest aufheben könnte. Allem Zyonismus zum Trotz verstecken sich dahinter letztlich die großen Werte: Ehrlichkeit und Realismus. Und beides hat sich diese Generation nach Hurrelmann riesig auf die Fahne geschrieben.

 

Freiheit vs. Familie

Aber wohin mit dem ganzen Realismus, wenn man eine Familie gründen will?

Zu allererst: Familienstrukturen unterliegen immer den Veränderungen der Gesellschaft mit all ihren Facetten. Nein, auch hier gilt nicht pauschal die Langstrumpf-Parole. Aus den Großfamilien, die schön brav alle unter einem Dach wohnten, macht die Industrialisierung Kleinfamilien – vereinfacht gesprochen. Aus Ehen mit Kind, Baum und Haus wurden wenig später die berühmten „wilden Ehen“, bis sie eben nicht mehr „wild“, sondern normal waren.

Inzwischen sind wir bei einem bunten Bild einer Patchwork-Familie angekommen. Und das nicht nur auf dem Foto, sondern sogar am Weihnachtstisch. Da sitzen die vier neuen Stiefgeschwister mit den anderen Halbgeschwistern und den leiblichen Geschwistern zusammen. Die Cousinen und Cousins dürfen nicht fehlen, denn nach all den Beziehungsumbrüchen sind diese letztendlich die dauerhaft dagewesenen Schwestern und Brüder. Abgerundet wird das Bild durch die leibliche Mutter eines Teils der Familie und den leiblichen Vater der anderen Seite. Und einem Hund. Natürlich. Man kennt sich noch nicht so recht, aber spätestens beim Kroketten-Wettessen wird man einen Nenner finden. Seltsam ist daran nichts mehr. Und das ist auch gut so.

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Das klassische Gen-Y Familienbild

Wie schaut nun das „klassische“ Familienbild der Generation-Y aus? Klaus Hurrelmann hat in einer seiner Jugendstudien herausgefunden, dass 70 % unserer Generation zum größten Teil in den traditionellen Kleinfamilien aufgewachsen sind. Zur Erklärung: Hier sind Mutti und Vati noch „big in love“ oder zumindest auf dem Papier. Aber der Anteil der Alleinerziehenden und anderen Partnerschaftsformen steigt kontinuierlich an. Zur Zeit dieser Forschung waren bereits 17 % in alleinerziehenden Familienstrukturen, 5 % in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften, 6 % in Patchworkfamilien und nur knapp 1 % in homosexuellen Lebensgemeinschaften.

Logischerweise müsste man die Erhebung jetzt noch einmal durchführen. Was könnte man jetzt für unsere Generation feststellen? Hier meine persönliche Einschätzung: Die Eltern sind immer mal wieder verheiratet, manchmal sogar recht lange. Die Kinder müssen nicht mehr unbedingt leiblich sein. Ob Patchwork, Pflegeverhältnisse, Adoptionen oder reine Sympathie: Die Familie ist keine klassische Institution mehr, sondern vielmehr ein Gefühlszusammenspiel gepaart mit Lebensträumen und -räumen. Hurrelmann hatte bereits angedeutet, dass sich die traditionellen Familienformen minimieren. Ob es wirklich eingetroffen ist, lässt sich nur vermuten.

 

Kinder vs. Karriere

Unsere Generation scheint dennoch eine gewisse Überdosis Familie konsumiert zu haben. Die Hälfte der Gen Y bleibt – meist gewollt – kinderlos. Wobei ich hier anmerken möchte, dass wir noch nicht wissen, was uns in den nächsten Jahren erwartet. Wenn ich für mich und meinen Freundeskreis spreche steht hier häufig noch die eigene Karriere-Planung und „erstmal Spaß haben“ im Vordergrund. Später hat man vielleicht sogar das Geld für Ehe, Kind, Haus und Baum.

Wie der Spaß während dieser Zeit aussieht? In dem Buch von Oliver Jeges „Generation Maybe“ sagt der Journalist Thilo Mischke: „Du kannst nicht fünf Personen lieben. Aber du kannst fünf Personen aufregend finden.“ (Mischke in Jeges 2014, 109).

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Nach all der sexuellen Revolution und Emanzipation sind wir mit unserer Generation in einer eigenen Form freier Liebe angekommen. Sie ist mindestens genauso frei wie unsere Lebensplanung. Wir können beide Geschlechter, ein Geschlecht oder gar kein Geschlecht lieben. Wir können liebeentleerten Sex haben oder auch sexlose Liebe. Wir können eine Familie planen, wir können es aber auch sein lassen. Entspannt bleiben und abwarten was passiert. Karriere machen. Bäume pflanzen. Eigene Wege gehen. Dann vielleicht gemeinsame Wege gehen. Wenn wir es dann wirklich ernst meinen, hängen wir vielleicht sogar ein Vorhängeschloss an die Kölner Brücke. Aber nur ein schmales.

 

Ach ist bei dir wohl nicht so? Lass deinen Senf einfach unten da.

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6 Kommentare

  • Reply Alice Dezember 7, 2015 at 4:03 pm

    Schön zusammengefasst, wie das alles abläuft, aber ich finde, dass ein gängiger Denkfehler sich immer einschleicht. Man glaubt, man hätte die Freiheit und die Macht, den perfekten Zeitpunkt für die Liebe abzupassen. Erstmal Spaß, erstmal Karriere, erstmal Reisen. Aber man kann sich nicht denken, dass man mit 30 in einer Beziehung sein wird, weil auch immer das Gegenüber Lust auf diese Spielchen haben und sich sogar verlieben muss. Was ist eigentlich wenn diese erwartet Liebe nicht eintrifft, wenn man sich dann endlich mal bereit fühlt? Diese Liebesprokrastination führt oft zu verpassten Chancen und einer ganz schön abgestumpften Herangehensweise an die Liebe.

    • Reply Farina Dezember 13, 2015 at 8:37 pm

      Hey Alice,
      voll gut und voll schlimm! Ja klar – das kann passieren.
      Liebesprokrastination trifft es ziemlich gut! Vielleicht lese ich mal bei dir etwas davon? 😉

      Liebe Grüße!

  • Reply Weltentdeckerin Dezember 13, 2015 at 11:47 am

    Liebe Farina,

    Ich liebe deinen Schreibstil einfach, du regst einfach mit jedem Artikel zum Schmunzeln, Nachdenken oder zur Selbstreflektion an.
    Darum würde ich dir sehr gerne den Liebester-Blog-Award überreichen. Es würde mich freuen, wenn du meine Fragen beantworten würdest, falls du das möchtest 🙂 http://www.weltentdeckerin.com/liebster-award-fragen/

    Und was deinen Artikel angeht… ich denke dass wir uns auch zuviel Zeit lassen. Irgendwann wachen wir dann auf und denken uns- was schon 30? Jetzt aber flott… Für die Männer weniger ein Problem, für uns Frauen schon. Außerdem finde ich auch, dass sehr viele aus der Generation Y einfach unreif sind. Sie wollen und können keine Verantwortung für einen Menschen übernehmen. Austoben, Spaß haben- schön und gut mit 17. Wenn ich jedoch sehe, dass manche Leute sich 10 Jahre später keinen Schritt weiterentwickelt haben, denke ich mir auch- ähm ja. Wenn man mit mit Anfang 20 noch als Jugendlicher zählt finde ich das auch merkwürdig. Unserer Generation fehlen die großen Konflikte und Probleme, mit denen man wachsen und selbstständig werden kann. Wer nicht selbst für Weiterentwicklung sorgt, kommt nie weiter. Und ich sehe die Auswirkungen davon jeden Tag wieder- bei jungen Menschen in unserem Alter, die so leblos und ohne Lust und Sinn durchs Leben gehen, die irgendwann aufwachen und bereuen, oder die in Sucht abrutschen. Klar für viele mag es eine bewusste Entscheidung sein, sich nicht zu binden oder sich nicht festzulegen. Ist auch voll in Ordnung. Aber viele tun es auch einfach, weil sie keinen Plan haben was sie mit ihrem Leben anstellen sollen.

    Ich habe übrigens mit 23 geheiratet. Ein paar Tage nach meinem Geburtstag. Das fanden alle schrecklich früh und alle wollten mir davon abraten. Deswegen gingen sogar Freundschaften zu Bruch. Ich finde 23 überhaupt nicht früh. Ich hätte auch schon mit 18 oder 19 geheiratet, wenn ich da schon meinen Mann gekannt hätte. 🙂 Ich finde es sehr aufregend gerade diese energievolle Phase die man hat, wenn man jung ist- zusammen mit dem liebsten Menschen zu erleben.

    Liebe Grüße, Anja

    • Reply Farina Dezember 13, 2015 at 8:46 pm

      Hey Anja,
      wow – danke für die Nominierung! Ich beantworte deine Fragen gerne!
      Vielen Dank für deinen Senf. Ich glaube, dass in der Tat viele nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Meine Sorge besteht auch, dass viele Ypsiloner ihre Chancen einfach verpennen, weil sie auf das Größere warten. Ich glaube aber auch, dass es viele Personen gibt, die nahezu jede Möglichkeit nutzen. Letztendlich hoffe ich, dass es sich irgendwie ausgleicht. Ich bin da noch nicht fertig mit denken. 🙂 Danke dir!!
      LG

  • Reply June Januar 17, 2016 at 12:09 am

    Spaß gehabt, mag diesen Artikel sehr! Bin auch Gen-Y-Abtrünnige, wie Anja, hatte auch mit 21 den Mann fürs Leben und mit 25 das passende Kind dazu…hier in Berlin kennt man aber viele, durch die großen Kids und meinen jüngeren Bruder hab ich das Gefühl die ganze Bandbreite von Size Zero bis Size 50 zu kennen. So Lebensaltersizemäßig 😉 Und stelle u.a. fest, dass die Unentschlossenheit und „die ständige Suche“ eher ein Gesellschaftsphänomen sind. Ich habe keine Ahnung, ob die Gen-Yler die anderen damit angesteckt haben, oder ob das ein Ergebnis ist, mit dem die Gen-Yler am meisten zu kämpfen haben und sich das deshalb so auf die Fahne schreiben, als wärs ihre Erfindung. Hier gilt die Frage: Hast du hohe Ansprüche an deine Umwelt? Oder an dich? Die meisten haben hohe Ansprüche (aka „große Erwartungen“) an sich – aber komischer Weise prohizieren sie die ständig auf ihre hohen Ansprüche an die Umwelt. Irgendwie muss bei denen (ja, auch den Size 35+ lern) ständig alles im Außen perfekt sein, als wenn sie erst dann in der Lage sind, selbst zu dem „perfekten“ hinzuwachsen. Irgendwie muss das mit dieser ewigen Suche zusammenhängen – da wird die Energie ins Ziel gesteckt, und nicht mehr in den Weg. Weil das Ziel so klar und der Weg so unklar sind…? Keine Ahnung – aber den Anspruch auf Verpeiltheit hat unsere Gen meines Erachtens nicht, und die „Voll-im-Leben-stehen“-Hoheit haben die Vorderältesten auch nicht…oder warum sind die alle geschieden, in der dritten Beziehung, dauerhaft im Ausland, oder sonstwie abgehauen bzw. „Nicht-Anwesend“ vom/im Hier und Jetzt?

    P.S. Schau gern mal bei mir vorbei 😉

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